Heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd andere an!

Mit dem Strom ist das so eine Sache. Man sieht ihn nicht, man riecht ihn nicht und man spürt ihn lediglich, wenn man einen Schlag bekommt. Das mag gefährlich sein, kommt aber eher selten vor. Die Frage, woher der Strom kommt, stellts man sich im Alltag auch eher selten – natürlich kommt er aus der Steckdose.
Seit vor ziemlich genau drei Jahren der Tsunami über Japan und über das Kernkraftwerk Fukushima gerollt ist, haben wir in Deutschland aber wieder die Frage, wie das mit der Stromerzeugung so läuft. Die Bundeskanzlerin nahm den zeternden Grünen den Wind aus den Segeln, in dem sie den Ausstieg aus der Kernenergie seither propagiert – die vielzitierte „Energiewende“. Grundkonsens ist seitdem: die Deutschen Kernkraftwerke sollen so schnell wie möglich vom Netz.

Kohlekraftwerke sind keine dauerhafete Alternative, die verpesten das Klima. Bleiben regenerative Ideen. An sich die perfekte Lösung, man möge mich da nicht missverstehen. Sauber, unbegrenzt vorhanden – super. Es hakt derzeit nur daran, dass die Verteilung der Vorkommen nicht ganz gleichmäßig ist in diesem auf Gleichheit und Gerechtigkeit gepolten Land. Also braucht man Stromtrassen, die von Norden nach Süden verlaufen. Stromtrassen – dahinter verbergen sich einfach gigantische Stromleitungen. Die sind nicht schön; sie verschandeln die Landschaft und deshalb wird vielerorts gegen sie demonstriert, protestiert und es werden Petitionen unterschrieben.

Aber – ohne Stromleitungen kommt der Strom halt nicht da hin, wo er hingehört. Das Argument, Solarenergie oder Biogasanlagen könnten doch die Menschen versorgen, zieht auch nicht. Betriebe brauchen auch Strom. Mehr, als sie selber erzeugen können.

Und die Produkte der Industrie brauchen wir alle – sie sichern Arbeitsplätze und Lebensstandard. Der Heilige Florian wird bemüht; er möge doch bitte woanders Schaden anrichten und nicht im eigenen Garten. Im Grunde ist diese Argumentation die Gleiche wie die, die Ausländer als nützliche Arbeitskräfte in der Pflege oder im Schlachthof oder bei der Müllabfuhrt betrachtet – aber doch um Himmels Willen nicht als Nachbarn.

Aufsässige Eidgenossen

Die Berge sind hoch und im Winter, da schneit’s, in der Schweiz, in der Schweiz, in der Schweiz. Vico Torriani hat das gewusst und er hat die Welt an seinem Wissen teilhaben lassen.

http://www.youtube.com/watch?v=VPVY6NDKiR0

Dummwerweise hat die Realität mit Schlageridylle wenig zu tun. Es stimmt zwar, dass die Schweiz ein wunderschönes Fleckchen Erde ist, aber die Idylle ist ein wenig trüb geworden. 50,3 Prozent der Schweizer, die abgestimmt haben, wollen diese Idylle wieder mehr für sich haben. Das heißt, dass die Personenfreizügigkeit für EU-Bürger abgeschafft wird; man wird demnächst wieder ein Visum brauchen, um sich zwischen Genfer und Bodensee dauerhaft niederzulassen oder um dort zu arbeiten. Der deutsche Tugendfuror wütet deshalb und schwingt die Nazi-Keule wider die Eidgenossen, die es seit dem legendären Bundesschluss auf dem Rütli 1291 immer wieder gewagt haben, Deutschland zu ärgern. (Auch die Tell-Sage zeugt ja davon – der freie Jäger wagt es, dem Vogt den Respekt zu verweigern und erschießt ihn, weil der es wagt, Tells Kind in Lebensgefahr zu bringen)

Jetzt kommt sicher der Einwand, dass die Schweiz im Zweiten Weltkrieg gemeinsame Sache mit den Nazis gemacht hat. Stimmt – diese Zeit ist kein Ruhmesblatt in der Geschichte unseres Nachbarlandes; und es war ein Schweizer, der das sehr deutlich herausgearbeitet hat: Max Frischs „Andorra“ erinnert doch sehr deutlich an das Verhalten der Eidgenossenschaft im Umgang mit Nazi-Deutschland. Ehrlich gesagt – ich halte auch das Abstimmungsergebnis zur Personenfreizügigkeit nicht für besonders weitsichtig; genauso wenig wie das Minarettverbot. Aber ich versuche, solche Resultate zu ergründen.

Ich denke, die Schweiz hat sich keinen Gefallen mit diesem Ergebnis getan, weil es ihr wirtschaftlich sehr weh tun wird. Der Export in die EU wird sehr darunter leiden – was auch der EU keine Freude machen kann angesichts der hohen Qualität Schweizer Waren. Aber wenn der Absatzmarkt fehlt, wird auch automatisch die Produktion heruntergefahren werden. Das wiederum werden Menschen wie Christoph Blocher, dessen SVP die Abstimmung angzettelt hat, noch merken und sie werden in alter Populisten-Manier Sündenböcke dafür finden. Soviel zur fehlenden Weitsicht. Was ich aber für viel interessanter halte, ist die Frage: Warum schließen sich auch Nicht-SVP-Wähler dieser Abstimmung an und nehmen in Kauf, dass die Wirtschaft ins Schlingern gerät? Aus Angst vor Verlust der eigenen Identität? Aus Angst vor deutscher Hegemonie? („Deutsch“ kann hier übrigens auch als Synonym für EU stehen.)
Offenkundig im persönlichen Umgang ist das in den seltensten Fällen zu spüren. Die Schweizer sind für ihre Freundlichkeit und Umgangsformen bekannt. Unter der Oberfläche aber scheint es zu brodeln. Deutsche Serviertöchter (Bedienungen), Ärzte, Krankenschwestern. Schwer zu ertragen für die Schweizer und ihre Identität. Dass die Schweizer daran selber schuld sind, steht auf einem anderen Blatt. Ihr Gesundheitssystem haben sie selber errichtet.  Gleiches gilt aber für die Deutschen. Im Gesundheitswesen hierzulande würde viel nicht mehr funktionieren ohne Ausländer, die übrigens nicht alle aus der EU kommen. Unter den Eidgenossen scheint sich ein Gefühl breitzumachen, der „Große Kanton im Norden“ wolle sich die Schweiz einverleiben. Oder Italien will das Tessin. Die Schweiz ist in der Tat, wie ein Blick auf die Landkarte zeigt, eine Insel inmitten des Meeres der EU. Und Brüssel – so der Vorwurf – nimmt keine Rücksicht auf Nationale Eigenheiten, Traditionen und Befindlichkeiten.

Man möge mich um Himmels Willen nicht missverstehen. Die EU ist eine gute Idee. Wer zusammenarbeitet, Grenzbäume abbaut, eine gemeinsame Währung hat, führt keine Kriege gegeneinander. Wo, wenn nicht in Europa, hat man mit Nationalismus und Eigenbrötlerei katastrophale Erfahrungen gemacht? Nur – es ist nichts schlimmes dabei, in einem Europa der offenen Grenzen weiterhin seine nationale Identität zu pflegen. Die Menschen nicht nur in der Schweiz haben zunehmend das Gefühl, berechtigt oder nicht, dass der EU dieses Gefühl abgeht. Franzosen sind Franzosen, Engländer sind Engländer, Luxemburger sind Luxemburger und Deutsche sind eben Deutsche. Aber: Deutsche sind keine Schweizer und Schweizer sind keine Deutschen. Gerade letzteres wird in Deutschland gern vergessen. Die Geschichte der Schweiz ist eine andere als die von Deutschland. Dass weite Teile der Eidgenossenschaft Deutsch als Muttersprache haben, darf darüber nicht hinwegtäuschen. Auch deshalb wird das Schyzerdytsch als eigentliches Idiom von den Menschen zwischen St. Gallen und Bern so hoch gehalten. Die Erfahrung zeigt: Wer Schwyzerdytsch versteht, hat es bei den Nachbarn recht leicht, ins Gespräch zu kommen. Wer dagegen mit Nazi-Unterstellungen daherkommt oder die Kavallerie schicken will, muss sich nicht wundern, wenn er nicht willkommen ist.
Stellt man sich vor, diese Abstimmung hätte es auch in Deutschland gegeben – die Rassismuskeule, die jetzt wider die Schweiz geschwungen wird, würde mit großer Sicherheit gegen Deutschland geschwungen. Denn so groß sind die Unterschiede im Stammtisch-Diskurs nördlich und südlich des Bodensees nicht und in dieser Frage dürften die Wahlergebnisse ähnlich sein.
Ich bin nicht glücklich mit dem Ausgang der Volksabstimmung. Grenzen aufzubauen ist keine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Befürchtungen und Ängste der Menschen nicht ernstzunehmen, ist es auch nicht. Sonst gewinnen Populisten wie Blocher immer mehr Land und die Berge der Schweiz werden höher als Vico Torriani das je besungen hat.

Von der Crux, keine Frau zu sein…

Im schönsten Freistaat der Welt stehen Kommunalwahlen an. Das heißt, dass die Parteien derzeit in den Straßen mit allerlei Methoden für Ihre Listen werben. Semantisch ist das problematisch. Es ist nämlich eine Eigenheit der deutschen Sprache, dass Substantive einem Geschlecht zugeordnet sind. Männlich, weiblich, neutral. Der Kandidat. Die Kandidatin. Ganz natürlich. In der Vielzahl spricht man von den Kandidaten, wenn Männer darunter sind, und von den Kandidatinnen, wenn die Gruppe ausschließlich aus Frauen besteht.

An der Universität bin ich vor vielen Jahren zum ersten Mal der Frage begegnet, was man gegen diese Ungleichbehandlung der Geschlechter tun kann – ja, in den Augen diverser eifriger Kommilitoninnen, tun MUSS. Die Lösung sprang einem regelrecht in die Augen. Man schreibt nicht von Kandidatinnen, sondern von KandidatInnen. Gesprochen: Kandidat-Innen, damit auch jeder merkt, dass die Damen in ihrer Gruppe dankenswerterweise auch Männer dulden.

In den 90ern tat ich das als Emanzen-Spleen ab. Ich habe mich nie darum geschert, ob ich beruflich oder privat mit Männern oder Frauen zu tun hatte. Ich bewerte Menschen nicht nach Hautfarbe, Geschlecht oder körperlichen Defiziten. Es gab Frauen, mit denen ich im Beruf gute Erfahrungen gemacht habe und welche, die ich am liebsten zum Teufel gejagt hätte. Gleiches gilt für meine Geschlechtsgenossen. Ich habe es da ehrlich gesagt immer mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder gehalten, der Frauenpolitik einmal als „Gedöns“ bezeichnet hat.

Gerhard Schröder ist bekanntlich Sozialdemokrat. Darum fand ich ein Wahlplakat der SPD, auf das ich gestern gestoßen bin, sehr interessant. Dort war von „meinen“ KandidatInnen für die Stadtratswahl die Rede. Die SPD ist also mittlerweile auf den Zug der politischen Korrektheit aufgesprungen und diese herrliche – ähm – frauliche Schreibweise hat das Ghetto der Universitäten verlassen. Die SPD ist eine Partei, die sich Gerechtigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hat. Soweit, so gut. Wie man „Gerechtigkeit“ definiert – darüber kann, mag und soll man streiten. Das sieht nämlich jeder anders.

Es geht mir nicht darum, Frauen das Recht auf Chancengleichheit im Beruf abzusprechen. Es geht auch nicht darum, Frauen andersweitig zu diskriminieren. Aber diese Schreibweise ist Ausdruck für eine Lebenshaltung, die ich für gefährlich erachte. Im Endeffekt steht sie für folgende Denkmuster:

  1. Männern ist grundsätzlich zu misstrauen.
  2. Frauen sind die besseren Menschen.

Jetzt muss ich doch nachdenken. Schließlich bin ich ein fortschrittlich denkender Mensch, ähm, Mann. Als solcher darf ich mich dem Absolutheitsanspruch (all)wissender) PolitikerInnen und AktivistInnen nicht verschließen. Also alles nach Innen. In Salzburg, also ausgerechnet im viel belächelten Österreich, ist man einen Schritt weiter als bei uns. Die dortigen MachthaberInnen haben durchgesetzt, dass sich Hinweistafeln politisch korrekt an alle Besucher-, Benutzer- und TeilnehmerInnen wenden. Das verwundert kaum, denn bei unseren NachbarInnen fiel den PolitikerInnen ja vor ein paar Jahren auch auf, das in der Nationalhymne nur große Söhne besungen würden, während die Töchter unter den Tisch gekehrt wurden. (Dass Österreichs Söhne nicht nur Größe hatten, steht auf einem anderen Blatt.)

Also, von den ÖsterreicherInnen lernen, heißt siegen lernen. Die SozialdemoktratInnen haben das verstanden. Die ChefInnen von Bündnis90/Die Grünen wissen das schon lange; und unsere FreundInnen von den SozialistInnen in der Nachfolge von Margot Honecker sind auch dafür.

Jetzt ist es die Crux jeder Neuerung, dass sie FeindInnen hat. Bei politisch korrekten, da von FeministInnen angeregten Schreibweisen ist das nicht anders. Weil bei den AnhängerInnen von Bündnis90/Die Grünen alles genauestens von WissenschaftlerInnen untersucht wird, weiß man: Wer gegen FeministInnen und ihre Schreibweisen ist, ist nicht weit entfernt von RechtsextremistInnen. Und von VergewaltigerInnen. Bleibt nur eine Frage: Unter welche Kategorie fallen dann diese SprachvergewaltigerInnen?

Der Spagat zwischen Innenansicht und Außenwahrnehmung

Blick aus Bayern…klingt irgendwie provinziell. Bayern – das sind Berge, ein paar Tümpel, die von Einheimischen großspurig als „See“ bezeichnet werden und an Provinznestern wie Starnberg liegen. Ein Millionendorf, das im Vergleich zu Berlin wie ein Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert wirkt. Ein Fußballverein, der Erfolg kauft. Eine Staatspartei, die anderswo als nerviger Störenfried wahrgenommen wird und an der alle Affären abzuprallen scheinen.

Über Bayern redet man gern; und noch lieber schaut man darauf herab – was etwas paradox wirkt, wenn man bedenkt, dass Hamburg und Bremen quasi auf Meereshöhe liegen, der höchste Punkt Deutschlands dagegen im Freistaat Bayern anzutreffen ist. Teile der Kritik teile ich. Aber Bayern ist auch meine Heimat. Seit 43 Jahren. Aufgewachsen bin ich in einem Dorf im Landkreis Unterallgäu. Allgäu – das klingt nach Wiesen und Bergen, nach Jodelbalkon und Fremdenverkehr. Dummerweise heißt das Unterallgäu aber erst seit 1972 Unterallgäu – als sich die Landkreise Mindelheim und Memmingen unter Einschluss von Teilen des Landkreises Illertissen zusammenschlossen. So richtig Allgäu sind wir also nicht. Aber grün und agrarisch – das schon. Fremdenverkehr gibt es nur in Bad Wörishofen, der Heimat der Kneippkur, in Ottobeuren mit seiner bekannten Basilika, und im benachbarten Bad Grönenbach. In meinem Heimatort sah man immer mit Neid auf die Wörishofer – was sich darin äußerte, dass man sie für eingebildet und wichtigtuerisch hielt. Die Kreisstadt Mindelheim kam nicht viel besser weg – drehte sich doch die Berichterstattung in der Lokalzeitung viel zu sehr um das, was in Mindelheim passierte. Dass ich das Gymnasium dort und nicht im Heimatort besuchte, wurde im weiteren Bekanntenkreis sehr kritisch gesehen – scheinbar war mir die heimatliche Bildungsanstalt nicht gut genug. Als ich später für die Lokalzeitung arbeitete, hieß es dann aber oft: „Endlich einer von uns…“ Von uns… Mein Verhältnis zu diesem Ort war damals, Ende der 80er, schon sehr angespannt – aus diversen Gründen, die auch dazu führten, dass ich heute dort keine gleichaltrigen Freunde habe. Freunde hatte ich an der Schule und ab 1991 an der Universität gefunden. Die besuchte ich in München. Zwar arbeitete ich an den Wochenenden und in den Semesterferien immer noch für die Lokalzeitung, aber meine Bindungen ans Unterallgäu wurden sukzessive schwächer. Vor allem, als ich 1994 in das Studentenwohnheim im Olympischen Dorf zog, verlagerte sich mein Lebenmittelpunkt immer mehr in die Landeshauptstadt. Diese ist heute mein zuhause. Beruflich bewege ich mich in der Medienwelt. Eine Welt, die ich auch immer kritischer sehe, seit v. a. bei einem großen Senderverbund im Vorort Unterföhring nicht mehr Journalisten, sondern Finanzinvestoren das Sagen haben. Dazu werde ich mich sicher immer wieder äußern.

Aber – ich lebe immer noch sehr gern in München und ich freue mich, wenn ich im Unterallgäu bin. Wenn ich ohne Rücksicht auf Zuagreista den breiten Dialekt sprechen kann, mit dem ich aufgewachsen bin. Wenn ich meine Eltern besuche. Oder wenn ich Schulfreunde treffe, die ich schon kannte, als ich noch niemand war. Was ich heute bin, müssen andere beurteilen – aber seit meinem Abitur habe ich viel von der Welt gesehen.

Ich bin viel mit Menschen zusammengekommen, die ich nur aus dem Fernsehen kannte (ehe ich selber in dieser Branche tätig war).

Ich habe mich mit den unterschiedlichsten Menschen auseinandergesetzt.

Ich habe Meinungen gehört, angenommen, verworfen.

Ich bin ich. Einerseits immer gewesen, andererseits geworden. Ich sehe Dinge, wie ich sie wahrnehme. Unabhängig vom „Zeitgeist“. Ich bin katholisch, obwohl ich nicht Mutter Kirches treuester Sohn bin. Ich bin fußballverrückt. Ich bin stur – manche sagen, ich sei ein Quadratschädel. Vielleicht manchmal ein nervender Besserwisser. Aber das ist wohl bei Journalisten eine anerkannte Berufskrankheit. Ich habe zu vielen Dingen eine Meinung. Und ich liebe es, zu lachen. Ich freue mich auf Euer Feedback und ich freue mich auf Konakte. Viel Spaß beim Blick aus Bayern auf Bayern und auf den Rest der Welt.

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